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Am 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag

Das humane Immundefizienzvirus (HIV) gehört zur Familie der Retroviren und wird in zwei Typen differenziert: HIV-1, das weltweit verbreitet ist, und HIV-2, primär in Westafrika vorkommend. Das Viruspartikel enthält zwei RNA-Stränge mit einem umgebenden Capsid-Protein und einer äußeren Lipidmembran mit Rezeptoren.

HIV vermehrt sich in den CD4-Zellen (Helferzellen) des Immunsystems, die eine Schlüsselfunktion bei der Koordination der zellulären und humoralen Immunantwort einnehmen. Mittels viruseigener reverser Transkriptase wird die virale RNA in provirale DNA umgeschrieben und ist so in die menschliche DNA integrierbar. Die infizierte Helferzelle bildet in der Folge Viruspartikel, die ausgeschleust werden und weitere Helferzellen infizieren können.1 Der Vermehrungsprozess reduziert sukzessive die Helferzellpopulation, was bei fast allen Betroffenen zu einer erworbenen Immunschwäche führt, die erstmalig 1981 als AIDS beschrieben wurde. AIDS geht mit diversen klinischen Symptomen und häufig mit opportunistischen Infektionen einher. Unbehandelt führt AIDS zum Tod.

Bei ca. 50 Prozent der Betroffenen in Deutschland, sog. „Late Presentern“, liegt bei Erstdiagnose bereits ein fortgeschrittener Immundefekt und/oder eine AIDS-definierende Erkrankung vor. Das ist prognostisch in Bezug auf Folgeschäden und das Überleben ungünstig. Wird HIV durch proaktive, gezielte Diagnostik früh detektiert, können der Verlauf der Erkrankung positiv beeinflusst und die Infektionskette unterbrochen werden.

Inkubationszeit, Infektiosität, Ansteckungsrisiken

Die wichtigsten Übertragungswege sind:

  1. ungeschützter sexueller Kontakt (Übertragung durch infektiöse Körperflüssigkeiten wie Sperma oder Schei denflüssigkeit, je nach Art des sexuellen Kontakts variiert das Übertragungsrisiko) – in Deutschland der häufigste Übertragungsweg;
  2. gemeinsamer Gebrauch von Spritzutensilien, z. B. bei Drogenkonsum (Übertragung durch Blut);
  3. Übertragung von der Mutter auf das Un- oder Neu- geborene (vertikale Transmission, unter der Geburt, beim Stillen).

Die Übertragung von HIV durch Blutprodukte spielt in Deutschland keine Rolle mehr. Die letzten dokumentierten Übertragungen sind aus dem Jahr 2004. Die Inkubationszeit beträgt 14 – 21 Tage (6 – 21). Die häufig oligo- oder asymptomatischen Betroffenen können unwissentlich HIV übertragen. Bestimmte präventive Maßnahmen, wie der Gebrauch von Kondomen und sauberer Spritzen, schützen vor einer Infektion. Auch eine erfolgreiche HIV-Therapie verhindert eine Übertragung. Bei erhöhtem Ansteckungsrisiko gibt es die Möglichkeit einer medikamentösen Prophylaxe (PrEP = Präexpositionsprophylaxe), die bei korrekter Einnahme Schutz vor einer Infektion bietet. Anders als Kondome schützt eine PrEP nur gegen HIV.

Im Rahmen einer beruflichen HIV-Exposition mit Infektionsrisiko (Stich, Schnitt, Einbringung von kontaminiertem Material ins Auge) ist es in Deutschland erfreulicherweise bislang nie zu einer Übertragung gekommen, wenn innerhalb des empfohlenen Zeitraums (idealerweise innerhalb von 2 – 4 Stunden, spätestens nach 72 Stunden) eine entsprechend der Leitlinien zusammengestellte Postexpositionsprophylaxe (PEP) eingenommen wurde.

Epidemiologie

Im Jahr 2023 lebten in Deutschland 96 700 Menschen mit einer HIV-Infektion, davon 79,3 Prozent Männer und 20,7 Prozent Frauen. Die Anzahl der Neudiagnosen im Jahr 2023 lag bei ca. 2 200 und damit erstmalig wieder auf dem Niveau von vor der COVID-19-Pandemie.

Männer, die Sex mit Männern haben, bilden in Deutschland die größte Gruppe unter den neu Diagnostizierten. In den letzten Jahren stieg langsam die Anzahl der Drogenkonsumenten unter den Neudiagnosen. Späte Diagnosen bei bereits fortgeschrittener HIV-Erkrankung finden sich in bestimmten Gruppen häufiger: Bei Migrantinnen und Migranten, Frauen, älteren Menschen und bei Männern, bei denen nicht bekannt war, dass sie Sex mit Männern haben.

Klinische Manifestation

Wenige Tage bis Wochen nach der Infektion entwickelt sich bei rund 20 Prozent der Betroffenen ein „akutes retrovirales Syndrom“. Es treten flüchtige unspezifische, grippeähnliche Symptome auf wie Fieber, Exanthem, Halsschmerzen, Lymphknotenschwellung, Gelenk- und Muskelschmerzen. Die Symptome verschwinden zeitnah. Die meisten Betroffenen bleiben a- oder oligosymptomatisch.

Der Verlauf der HIV-Infektion variiert stark zwischen Individuen. Es gibt Infizierte, die bereits wenige Jahre nach der Infektion schwer krank werden und andere, die viele Jahre symptomfrei leben. Unbehandelt dauert es durchschnittlich 8 Jahre bis schwere opportunistische Infektionen oder Krebserkrankungen auftreten. Rezidivierende Pneumonien, anhaltende Diarrhoe, oraler Soor oder Herpes zoster können ein Hinweis auf eine fortschreitende, unbehandelte HIV-Infektion sein.

Bestimmte Erkrankungen mit hoher Morbidität und Mortalität, die im Kontext der HIV-Infektion auftreten können, bezeichnet man als AIDS-definierend. Dazu gehören u. a. die Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie, die zerebrale Toxoplasmose, maligne Lymphome, die Kryptokokkose, die Candida-Ösophagitis etc. Werden sie diagnostiziert, muss gezielt auch eine HIV-Diagnostik erfolgen.

Unbehandelt führt die HIV-Infektion mit Ausnahme weniger Fälle zum Tod. Lediglich 1 – 5 Prozent aller Betroffenen weltweit zeigen keinen Progress, haben aber ein höheres Risiko für andere Erkrankungen. Nur über eine gezielte Diagnostik kann die Diagnose gestellt werden.

Diagnostik – Suchtest (Screening), Bestätigungstest, PCR (Viruslast), Resistenztestung

Bei V. a. eine HIV-Infektion ist die serologische Untersuchung mittels HIV-Suchtest (Screening) die Methode der Wahl.

Der Test basiert auf dem Prinzip eines CLIA Immun-Assay-Tests. Die heute verwendeten Tests der 4. und 5. Generation sind Kombinationstests und können Antikörper (AK) gegen HIV-1 und HIV-2 sowie virales p24-Antigen detektieren. Ist das Ergebnis des HIV-Suchtests reaktiv, wird automatisch ein Bestätigungstest (Immunoblot /AK und p24-Antigen) durchgeführt. Während für den Suchtest eine maximale Sensitivität oberste Priorität hat, um keine Infektion zu übersehen, ist beim Bestätigungstest eine hohe Spezifität wichtig. Ein reaktives Ergebnis im Suchtest wird erst im Kontext eines positiven Bestätigungstests als gesichert positiv bewertet.

HIV kann mittels HIV-RNA-PCR (sog. Viruslast) auch direkt im EDTA-Blut nachgewiesen werden. Indikationen für eine Viruslastbestimmung sind positive Suchtests und das Therapiemonitoring. Eine weitere Indikation stellt der V. a. akute HIV-Infektion bei Patientinnen und Patienten dar, die einen Hochrisikokontakt hatten (z. B. bekannte unbehandelte HIV-Infektion).

Liegen nach der ersten Untersuchung entweder ein positiver HIV-Suchtest oder eine nachweisbare Viruslast vor, ist formal zur Wiederholung der Suchtestung eine zweite unabhängige Blutentnahme zu planen. Bei dieser zweiten Blutentnahme können weitere Laboruntersuchungen, wie die Bestimmung der CD4-Zellzahl (zur Klassifikation der HIV-Infektion) und, falls noch nicht vorliegend, eine Viruslastbestimmung erfolgen. Weiterhin sollte vor dem Start einer HIV-Therapie und bei Hinweisen auf ein Therapieversagen eine HIV-Resistenzbestimmung stattfinden.

Bei V. a. eine HIV-Infektion, spätestens bei der Diagnose, sollte gezielt nach weiteren sexuell übertragbaren Infektionen (STI) geschaut werden. Es ist sinnvoll, schwangeren Patientinnen proaktiv im Rahmen der Vorsorge Untersuchungen auf STI einschließlich HIV-Infektion anzubieten.

Die besondere Bedeutung des diagnostischen Fensters

Sowohl Antikörper als auch Virusbestandteile sind erst einige Zeit nach der Infektion nachweisbar. Untersuchungen ohne Berücksichtigung des diagnostischen Fensters können eine verpasste Diagnoseoption darstellen und mit erheblichen Konsequenzen für die Betroffenen einhergehen.

Für die HIV-Testung sind 2 relevante Zeitpunkte zu betrachten:

  1. der frühestmögliche Zeitpunkt, ab dem man eine HIV-Infektion sicher ausschließen kann,
  2. der frühestmögliche Zeitpunkt, ab dem man eine HIV-Infektion nachweisen kann.


Zu 1.: Der HIV-Suchtest ist hierfür das empfohlene und zuverlässige Testverfahren. Eine HIV-1-Infektion kann mittels eines im Labor durchgeführten HIV-Suchtests 6 Wochen nach einem möglichen Risikokontakt ausgeschlossen werden, wenn das Ergebnis negativ ist. Für eine mögliche HIV-2-Infektion gilt das nach 12 Wochen.

Zu 2.: Bei den heute verwendeten HIV-Suchtests der 4. und 5. Generation hat sich das diagnostische Fenster erheblich verkleinert. Eine HIV-Infektion kann bereits nach 2 – 3 Wochen nachgewiesen werden. Der frühestmögliche Nachweis einer HIV-Infektion gelingt mittels HIV-RNA-PCR (Viruslast): durchschnittlich nach 11 Tagen. Bei  Hochrisikokontakten ist somit neben dem HIV-Suchtest zusätzlich die Viruslastbestimmung sinnvoll.

Testwiederholungen sind deshalb bei negativen Ergebnissen sowohl mit dem Ziel des Ausschlusses als auch mit dem des Nachweises sinnvoll.

Gemäß Infektionsschutzgesetz §7 Abs. 3 (und §10) ist der direkte oder indirekte Nachweis einer Infektion mit HIV nichtnamentlich unmittelbar an das Robert Koch-Institut (RKI) zu melden.

Das Labor startet bei direktem oder indirektem Nachweis mit Ausfüllen des standardisierten, nichtnamentlichen Meldebogens. Dieser wird an das ärztliche Personal versendet, welches die Untersuchungen zu HIV initiiert hat. Dort müssen anamnestische und klinische Informationen ergänzt und der komplettierte Meldebogen in dem beigefügten Briefumschlag an das RKI verschickt werden.

Therapie

Die HIV-Therapie (antiretrovirale Therapie = ART) basiert auf dem Prinzip der Replikationshemmung. Diverse antiretrovirale Wirkstoffe, die an unterschiedlichen Stellen den Replikationszyklus unterbrechen, werden kombiniert. Die Virusvermehrung wird unterbunden. Kontrolliert wird der Effekt über regelmäßige Viruslastbestimmungen.
Unter ART erholt sich die CD4-Zellpopulation, die ebenfalls regelmäßig kontrolliert wird. Die Helferzellen können ihre Schlüsselfunktion im Immunsystem wieder einnehmen, das Risiko für opportunistische Infektionen sinkt. Moderne ART ist im Vergleich nebenwirkungsarm und leichter einzunehmen, was die Therapieadhärenz verbessert hat. Unter erfolgreicher ART ist die Lebenserwartung annähernd normal.

Aufgrund der Komplexität der ART und der Besonderheiten der HIV-Infektion wird die Behandlung in HIV-Schwerpunktpraxen empfohlen.

Bei Fragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung: 

Dr. med. Falitsa Mandraka, MME
Fachärztin für Innere Medizin und Infektiologie
Fachärztin für Innere Medizin
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Dr. med. Roger Grosser
Facharzt für Laboratoriumsmedizin
Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie
E-Mail

Dr. med. Martin Platten
Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie
Facharzt für Innere Medizin
E-Mail

Dr. med. Markus Compes
Facharzt für Transfusionsmedizin
Hämostaseologie
E-Mail

Literatur: 

  1. Hoffmann, C., Rockstroh, J.K. (2022): HIV 2022/2023. Komplettversion als PDF unter www.hivbuch.de.
  2. Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 28/2024, 11. Juli 2024.