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Labordiagnostik der Haarzell-Leukämie

Definition und Epidemiologie
Die klassische Haarzell-Leukämie (HCLc) ist eine seltene Neoplasie der B-Lymphozyten mit einem Anteil von ca. 2% der lymphatischen Leukämien. Das mediane Erkrankungsalter liegt bei 55 Jahren; Männer sind im Verhältnis zu Frauen fünfmal häufiger betroffen. Pathologisch-anatomisch steht eine diffuse Infiltration der Milz sowie des Knochenmarks im Vordergrund. Im peripheren Blut findet sich neben einer Panzytopenie regelmäßig auch eine verminderte Monozytenanzahl. Haarzellen sind hier oft nur mit geringem Anteil nachweisbar. Die Labordiagnostik der Haarzell-Leukämie erfolgt überwiegend zytomorphologisch und mittels Immunphänotypisierung. Für die Differenzialdiagnose und Beurteilung des Therapieverlaufs ist eine histologische Untersuchung am Beckenkammtrepanat indiziert. Darüber hinaus wurde kürzlich ein molekulargenetischer Marker beschrieben, der nicht nur von diagnostischem Interesse ist, sondern auch als Angriffspunkt einer zielgerichteten Therapie dienen könnte.1

Zytomorphologie
Haarzellen erscheinen als kleine bis mittelgroße lymphozytäre Zellen mit ovalem oder auch bohnenförmigem Kern und einem im Vergleich zu normalen Lymphozyten feineren Chromatingerüst. Nukleolen sind in der Regel nicht erkennbar. Das blassblaue Zytoplasma ist verbreitert mit unregelmäßigen feinhaarigen, ausgefransten oder villösen Ausziehungen, die zirkulär um die Zelle angeordnet sind.

In der zytochemischen Färbung zeigt sich eine Positivität für die tartratresistente saure Phosphatase (TRAP), die jedoch nicht spezifisch für die Haarzell-Leukämie ist, sondern auch bei anderen Lymphomen vorkommen kann.

  

Abbildung 1: typische Morphologie von Haarzellen

Hämatopathologie

Das Knochenmark zeigt eine fleckförmige interstitielle oder diffuse Durchsetzung mit Haarzellen. Aufgrund des breiten, blassen Zytoplasmas liegen die monomorph erscheinenden Kerne der Tumorlymphozyten gleichmäßig auf Distanz. In den meisten Fällen ist das Knochenmark hyperzellulär. Die gelegentlich vorkommende hypozelluläre Variante kann eine aplastische Anämie vortäuschen. Infolge der ausgeprägten Vermehrung von Retikulinfasern in den infiltrierten Markarealen liefert die Knochenmarkpunktion häufig kein verwertbares Material (Punctio sicca). In der Milz ist die rote Pulpa diffus infiltriert mit Obstruktion der Pulpastränge durch Haarzellen. Die weiße Pulpa ist atrophisch. Weniger häufig ist eine Beteiligung der Leber (ca. 50%) und der Lymphknoten (ca. 15% der Fälle)

Immunphänotypisierung/Immunhistochemie
Neben Pan-B-Zellantigenen wie CD19, CD20 und CD22 werden die Antigene CD103, CD123, CD11c und CD25 stark koexprimiert. Haarzellen sind negativ für CD5, CD23 und CD10.

Die fehlende Expression von CD25 ist typisch für die Haarzell-Leukämie-Variante (HCLv), die in der Regel hochleukämisch verläuft, Nukleolen aufweist und nicht mit einer Fibrosierung des Knochenmarks einhergeht. In Gewebeinfiltraten sind Haarzellen zusätzlich charakter-istischerweise kräftig positiv für CD72 (DBA44) und in der Hälfte der Fälle nukleär positiv für Cyclin D1. Die Proliferationsrate ist mit <5% (Ki67) charakteristisch niedrig.

Abbildung 2: Immunphänotypisierung
Vermehrung von B-Zellen (grün) mit Expression des B-Zellantigens CD19 sowie Koexpression von CD103

Zytogenetik/Molekularzytogenetik
Spezifische, mit der Haarzell-Leukämie assoziierte zytogenetische Aberrationen sind bisher nicht bekannt. Numerische Aberrationen der Chromosomen 5 und 7 wurden beschrieben, Translokationen liegen in der Regel nicht vor.

Molekulargenetik
2011 wurde erstmals eine Mutation im BRAF-Gen, die BRAF V600E-Mutation, bei der Haarzell-Leukämie beschrieben. Andere untersuchte Non-Hodgkin-Lymphome, insbesondere das splenische Marginalzonen-Lymphom, wiesen diese Mutation nicht auf.2

Die BRAF-V600E-Mutation findet sich bei ca. 80% der immunphänotypisch klassischen Haarzell-Leukämien (HCLc). Bei ca. 20% der HCLc und bei der Haarzell-Leukämie-Variante (HCLv) ist diese Mutation nicht nachweisbar. Auch bei der HCLc und HCLv mit Nachweis des prognostisch ungünstigen Immunglobulin Schwerkettengens IgVH4-34 wurde die BRAF-Mutation nicht gefunden3.

Eine Inhibition der BRAF-Mutante V600E, z.B. durch den Thymidinkinase-Inhibitor Vemurafenib, wird zurzeit in klinischen Studien geprüft 4.

Abbildung 3: Nachweis der BRAF V600E-Mutation mittels Schmelzkurvenanalyse. Die BRAF-Mutation wird im Vergleich zu einer gesunden Kontrollperson (64°C) durch einen zweiten Peak (niedrigerer Schmelzpunkt; 59°C) detektiert und kann je nach Anteil der Haarzellen in seiner Ausprägung variieren.

Verlaufskontrolle und minimal residual disease-Monitoring
Für die Verlaufskontrolle sowie für das minimal residual disease (MRD)-Monitoring unter Therapie eignet sich die Immunphänotypisierung als schnelle und sensitive Methode. Zur Erfassung der Haarzellpopulation kann z.B. die Antikörperkombination CD19/CD103/Kappa/Lambda eingesetzt werden. Ein MRD-Monitoring kann auch über die Quantifizierung der BRAFV600E-Mutation im Verhältnis zum BRAF-Wildtyp (BRAFV600E/BRAFwt-Ratio) erfolgen, z.B. mittels einer real-time PCR 5.

Untersuchungsmaterial

Zytomorphologie/Enzymchemieje 4-6 luftgetrocknete Ausstriche, Knochenmarkaspirat und peripheres Blut (EDTA)
HämatopathologieKnochenstanze/Beckenkammtrepanat (in 4% gepuffertem Formalin) und luftgetrocknete Ausstriche für die Zytomorphologie (s.o.)
Immunphänotypisierung3 ml EDTA-Blut und/oder KM-Aspirat
Molekulargenetik3 ml EDTA-Blut und/oder KM-Aspirat

Für weitere Informationen steht Ihnen unser Kompetenzteam Hämato-Onkologie gern zur Verfügung.

Prof. Dr. Joachim Arnemann
Molekulargenetik
Tel.: 0221 940 505 360
Prof. Dr. Henrik Griesser
Zytomorphologie, Hämatopathologie
Tel.: 0221 940 505 840
Dr. Dennis Hoffmann
Immunphänotypisierung
Tel.: 0221 940 505 609
Dr. Johannes Owczarski
Zytomorphologie, Immunphänotypisierung
Tel.: 0221 940 505 613
Dr. Sybille Schütz
Klassische Zytogenetik und
Molekularzytogenetik (FisH)
Tel.: 0221 940 505 432
Lars-Erik Wehner
Klassische Zytogenetik und Molekularzytogenetik (FisH)
Tel.: 0221 940 505 845


1 Jones G et al.: Revised guidelines for the diagnosis and management of hairy cell leukemia and hairy cell leukemia variant. Br J Haematol. 2012 Jan; 156(2): 186-95

2 Tiacci et al.: BRAF mutations in hairy cell leukemia. N Engl J Med 2011 Jun 16; 364(24) 2305-15

3 Liquiang Xi, Arons E.: Both variant and IgVH4-34-expressing hairy cell leukemia lack the BRAFV600E-Mutation. Blood 2012 Apr. 119(4): 3330-32

4 Munoz J et al: Rapid response to vemurafenib in a heavily pretreated patient with hairy cell leukemia and BRAF mutation. J Clin Oncol. 2013 Jul 10; 31(20): e351-2

5 Schnittger S et al.: Development and validation of a real-time Quantification assay to detect and monitor BRAFV600E mutations in hairy cell leukemia. Blood. 2012 Mar 29; 119(13): 3151-4