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Vermehrte Fälle von Hautdiphtherie bei Flüchtenden seit 2022

Die Häufung von Hautdiphtherie-Fällen, insbesondere bei Flüchtenden aus Afghanistan und Syrien, wird seit Sommer 2022 europaweit beobachtet. Während sich die Fallzahlen in den Jahren zuvor im niedrigen zweistelligen Bereich bewegten, wurden für das Jahr 2022 in Deutschland 144 Fälle von Hautdiphtherie und 13 Fälle von Rachendiphtherie gemeldet. Epidemiologische Daten und Genomsequenzierungen legen mehrere Infektionsherde entlang der Balkanroute nahe.

Erreger der Diphtherie ist in erster Linie Corynebacterium diphtheriae, ein grampositiver Bacillus. Krankmachend ist das Diphtherie-Toxin. Auch C. ulcerans und C. pseudotuberculosis können dieses Toxin produzieren. Stämme, die kein Toxin produzieren, lösen keine Diphtherie aus.

Man unterscheidet die Rachendiphtherie von der selteneren Hautdiphthterie. Die Diphtherie gehört zu den impfpräventablen Erkrankungen. Die Schutzimpfung gegen Diphterie ist in Deutschland Teil der Standardimpfungen.

Bei Flüchtenden mit chronischen Wunden oder Hautläsionen, die keiner anderen Ursache zuzuordnen sind, sollte die Diagnose Hautdiphtherie erwogen und abgeklärt werden.

Symptome

Rachendiphtherie:
Tröpfcheninfektion. Schleichender Beginn mit Halsschmerzen, zervikaler Lymphadenopathie und Fieber. Im Verlauf kommt es bei mehr als einem Drittel der Patientinnen und Patienten zur Entwicklung von Pseudomembranen im Bereich der Atemwege (zwei Drittel im Bereich der Tonsillen), die zusammen mit einer ausgeprägten Schleimhautschwellung zu respiratorischem Stridor bis hin zum Ersticken führen können. Die systemische Dissemination von Diphtherie-Toxin kann Herz (Myokarditis), Nervensystem (Lähmung von Gaumen und Hirnnerven) und Nieren schädigen. Die Patientinnen und Patienten sind ab Symptombeginn für einen Zeitraum von 2 – 6 Wochen ansteckend, bei Behandlung mit Antibiotika weniger als 4 Tage.

Hautdiphtherie:
Ansteckung über direkten Kontakt mit infektiösen Läsionen. Chronische, nicht heilende Wunden oder flache Ulzera mit einer schmutzig-grauen Membran. Die Erscheinung ist unspezifisch. Häufig können Läsionen vorbestehender Hauterkrankungen betroffen sein. Systemische Symptome bestehen regelhaft nicht. Typischerweise werden Ausbrüche in Populationen mit einem schlechten sozioökonomischen Status und unzureichender Gesundheitsversorgung beobachtet.

Diagnostik

Der Nachweis der potenziell toxinbildenden Corynebakterien: (C. diphtheriae, C. ulcerans, C. pseudotuberculosis) – erfolgt kulturell.  

Aktuell richtet sich das Augenmerk auf verdächtige Läsionen einer Hautdiphtherie und deren Differenzialdiagnosen, wie zum Beispiel Impetigo, allgemeine Wundinfektionen, Ulzerationen anderer Ursache sowie Affenpocken oder Skabies. Es sollten vor Therapiebeginn daher immer ein Abstrich von der Wunde/Läsion bzw. den Wunden sowie bei hochgradigem Verdacht auf Hautdiphtherie zusätzlich auch ein Rachenabstrich durchgeführt werden. Die Proben werden vom Labor mikrobiologisch bearbeitet. Vorbekannte Infektionen mit Streptokokken oder Staphylokokken schließen eine Infektion mit toxinbildenden Corynebakterien nicht aus.

Werden Corynebakterien kulturell angezüchtet, erfolgt im nächsten Schritt der Nachweis des Diphtherietoxins. Bei positiven Proben wird  zusätzlich eine kostenfreie Feintypisierung im nationalen Konsiliarlabor vorgenommen. 

Bitte fordern Sie auf der OE-Karte Mikrobiologie jeweils für die Wund- und Rachen-Abstriche neben E+R gezielt Diphtherie an, damit wir auch die speziellen Anzuchtmedien mit einsetzen können.
Im Rahmen einer Ausschlussdiagnostik ist bei Krankheitsverdacht laut Robert Koch-Institut (RKI) erst einmal keine Meldung gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) notwendig. Bitte geben Sie dennoch bitte für eine spätere potenzielle Meldung der positiven Kultur immer auch die vollständigen Angaben inklusive Anschrift der Person mit an.  

Eine Impf-Anamnese und im Zweifel eine Blutentnahme zur Sicherung des Diphtherie-Impf-/Immunstatus wird empfohlen.

Therapie

Rachendiphtherie:
Antibiotika (Penicillin G 2x 600.000 IE i.m. / Penicillin V 4x 250 mg p.o. oder Erythromycin 4x 500 mg über 14 Tage), in schweren Fällen zusätzlich Antitoxin; sorgfältiges Atemwegs-Management (Gefahr der Verlegung der Atemwege), Monitoring mittels EKG und Messung der Herzenzyme sowie mittels regelmäßiger Erhebung des neurologischen Status. Isolationsmaßnahmen können aufgehoben werden, wenn zwei aufeinanderfolgende Kulturen mit mindestens 24h Abstand negativ sind.

Hautdiphtherie:
Gründliche Reinigung der Läsion und Wundverband zur Vermeidung einer Übertragung. Gabe von Antibiotika (Penicillin G/V oder Erythromycin über 14 Tage); die Verabreichung von Antitoxin ist nicht erforderlich.

Weitere Maßnahmen

Da die natürliche Infektion keine Immunität hinterlässt, sollten Patientinnen und Patienten nach Ausheilung möglichst zeitnah gegen Diphtherie geimpft werden (je nach Impfstatus Grundimmunisierung oder Auffrischimpfung).
Es besteht namentliche Meldepflicht gemäß §6 Abs. 1 des IfSG bei Krankheitsverdacht, Erkrankung sowie Tod an Diphtherie, sowie gemäß §7 Abs. 1 IfSG bei direktem oder indirektem Nachweis von toxin-bildenden Corynebacterium spp. mit Hinweis auf eine akute Infektion.

Maßnahmen für Kontaktpersonen
Bei engen Kontaktpersonen (Mitglieder des Haushaltes, medizinisches Personal) sollte nach Entnahme einer Kultur der Impfstatus überprüft und ggf. aktualisiert werden. Zudem wird die Gabe von Penicillin G (einmalig 1,2 Mio. IE i.m.) oder von Erythromycin 4x 500 mg p.o. über 7 –-10 Tage empfohlen.

Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Dr. med. Martin Platten
Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie
Facharzt für Innere Medizin
Tel.: 0221 940 505 367
E-Mail: m.platten@wisplinghoff.de

Dr. med. Roger Grosser
Facharzt für Laboratoriumsmedizin
Facharzt für Mikrobiologie, Virologie, Infektionsepidemiologie
Tel.: 0221 940 505 202
E-Mail: r.grosser@wisplinghoff.de