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GFR bei Menschen über 70 Jahren mit der BIS1-Formel bestimmen

Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) als Parameter für die funktionelle Nierenleistung wird in der Regel über eine der drei folgenden Schätzformeln berechnet:

  • MDRD-Formel (Modification of Diet in Renal Disease)
  • Cockcroft-Gault-Formel
  • CKD-EPI-Collaboration (Chronic Kidney Disease Epidemiology)-Formel

Alle Formeln ermitteln die GFR auf Basis der Serum-Kreatininkonzentration. Sie sind einfach anzuwenden, haben aber häufig einen entscheidenden Nachteil: Die Formeln wurden nur anhand von definierten Kollektiven ermittelt, in denen die Patienten eine variable Nierenfunktion und/oder Muskelmasse aufwiesen. Somit gilt die auf diese Weise errechnete GFR streng genommen auch nur für diese Patienten als Schätzgröße. Besonders bei Diabetikern, Kindern und Menschen ab 70 Jahren kann durch die MDRD-Formel die ermittelte GFR und damit die Nierenleistung überschätzt werden. Aus diesem Grund haben wir diese Befunde entsprechend kommentiert.

Seit Jahren arbeiten Nephrologen weltweit an neuen Schätzformeln, die die derzeit existierenden Ungenauigkeiten vermeiden sollen. Für das besondere Patientenkollektiv älterer Menschen gibt es nun eine Alternative: Das Team der Berlin Initiative Study der Charité hat in einer groß angelegten Studie an 570 multimorbiden Patienten im Alter von mindestens 70 Jahren durch direkten Vergleich mit der Iohexol-Plasmaclearance eine kreatininbasierte Schätzformel der GFR erarbeitet. Das mittlere Alter der Patienten betrug 78,5 Jahre; ein Viertel der Patienten war an Diabetes mellitus erkrankt, mehr als drei Viertel an Bluthochdruck, nahezu ein Drittel war adipös. Die Nierenfunktion war nicht oder nur moderat eingeschränkt – im Schnitt lag die gemessene GFR bei 60,3 ml/min/1,73m2.

Es handelt sich um die erste Studie, die valide Daten für diese Altersgruppe liefert – die daraus abgeleitete BIS1-Formel lautet:

GFR (ml/min/1,73m2) = 3736 x Kreatinin (mg/dl)-0,87 x Alter-0,95 (x 0,82 falls weiblich)

Eine Erweiterung dieser Formel, die sogenannte BIS2-Formel, berücksichtigt auch die Konzentration des niedermolekularen Proteins Cystatin C. Cystatin C wird nur über glomeruläre Filtration aus dem Körper eliminiert, in den Tubuluszellen vollständig rückresorbiert und dort anschließend metabolisiert. Es wird nicht tubulär sezerniert. Die Syntheserate ist stabil und weitgehend unabhängig von Alter oder Körpergröße.

Aufgrund dieser Eigenschaften deckt die Cystatin-C-Bestimmung die diagnostische Lücke des sogenannten kreatininblinden Bereiches ab, in dem die GFR um knapp 50 % fällt, die Serumkreatininkonzentration aber noch nicht steigt. Bereits geringgradige Veränderungen der GFR lassen sich bei Älteren durch isolierte Bestimmungen des Cystatin C und/oder Berechnung der BIS2-Formel noch sensitiver erkennen.

Das Labor Dr. Wisplinghoff berechnet die GFR bei Patienten unter 70 Jahren mit Hilfe der MDRD-Formel. Bei Patienten ≥ 70 Jahre nutzen wir ab sofort die kreatininbasierte BIS1-Formel und geben auf dem Befund entsprechend die "GFR-BIS1" an.

Bei Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.Priv.-Doz. Dr. med. Olav Gressner    Tel.: 0221 940 505 614        o.gressner@wisplinghoff.de    Literatur:Two novel equations to estimate kidney function in persons aged 70 years or older. Schaeffner ES, Ebert N, Delanaye P, Frei U, Gaedeke J, Jakob O, Kuhlmann MK, Schuchardt M, Tölle M, Ziebig R, van der Giet M, Martus P. Ann Intern Med. 2012; 157:471-81