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Aufnahme des Screenings auf Gestationsdiabetes in die Mutterschutz-Richtlinien

Ein Gestationsdiabetes mellitus (GDM) ist definiert als eine Störung der Glukosetoleranz, die erstmals in der Schwangerschaft diagnostiziert wird.1 Unbemerkt stellt der GDM ein Risiko für die werdende Mutter und besonderes für das Kind dar. Eine früh einsetzende Therapie kann das bestehende Risiko für Mutter und Kind reduzieren. Mit dem Beschluss vom 15.12.2011 des gemeinsamen Bundesausschusses wird ein Screening auf GDM in die Mutterschutz-Richtlinien aufgenommen².

Jeder Schwangeren, die bislang keinen manifesten Diabetes mellitus hat, soll ein GDM-Screening im Rahmen der Mutterschutz-Richtlinien angeboten werden. Ein zweizeitiges Verfahren ist vorgesehen. Zunächst soll in der 24+0 bis 27+6 Schwangerschaftswoche (SSW) ein OGTT 50g Glukose (oraler Glukosetoleranztest) erfolgen. Danach werden Schwangere mit einem 1-Stunden-Wert ≥ 135 mg/dl sowie ≤ 200 mg/dl (7,5 bzw. 11,1mmol/l)2,3 zeitnah mit einem zweiten OGTT 75g nochmals getestet. Die Diagnose GDM wird mit dem OGTT 75g gestellt (Grenzwerte siehe Tabelle). Die Bestimmungen erfolgen aus venösem Blutplasma 1,2,3.

OGTT 50g  ≥135 (und ≤200) mg/dl  OGTT 75g  GDM - auffälliger BZ nü oder BZ 1h oder BZ 2h

Risiko für Mutter und Kind
Im Jahr 2009 wurde in Deutschland bei 21.953 Müttern ein Gestationsdiabetes nachgewiesen, dies entspricht einer Quo-te von 3-4 Prozent aller Geburten. Die relative Häufigkeit des GDM ist in den letzten Jahren (2002 bis 2009) von 1,5 auf 3,4 Prozent angestiegen. Es werden als akute Folgen bei der Mutter erhöhte Risiken für Frühgeburtlichkeit, Schwanger-schaftshypertonus, Makrosomien, Sectiones sowie schwere postpartale Blutungen genannt, aber auch Harnwegsinfek-tionen, Candidainfektionen und Peridontitis. Innerhalb der nachfolgenden 10 Jahre zeigt ein nicht unerheblicher Anteil der GDM-Frauen eine gestörte Glukosetoleranz. Das Risiko für die Entwicklung eines manifesten Diabetes mellitus ist ebenfalls gegenüber Frauen ohne GDM erhöht. Auch das Wiederholungsrisiko eines GDM bei erneuten Schwanger-schaften ist gesteigert.1

Akute Folgen für das Kind ergeben sich infolge der Hyperglykämie als vermehrte Insulinsekretion, Einlagerung von Glykogen sowie Makrosomie (gesteigerte Adipogenese). Die Frühgeburtsrate sowie intrauteriner Fruchttod sind in Abhängigkeit der Stoffwechseleinstellungen erhöht. Postpartale Hypoglykämien, Hyperbilirubinämien, Atemstörungen, Polyglobulie oder Hypocalcämie sind beschrieben. Als Spätfolgen beim Kind steigt das Risiko für Übergewicht, Adiposi-tas, manifesten Diabetes mellitus, gestörte Glukosetoleranz, metabolisches Syndrom sowie einen erhöhten Blutdruck.1

Die Feststellung des GDM erfolgt über einen 75g oralen Glukosetoleranztest in der 24.-27. SSW. Die neuen Grenzwerte lauten: nüchtern ≥ 92mg/dl, nach einer Stunde ≥ 180mg/dl und nach zwei Stunden ≥ 153mg/dl im venösen Blutplasma. Die Diagnose eines GDM ist bereits mit einem bestätigten erhöhten Nüchtern-glukosewert möglich.1,4,5

Zeitpunkt: 24. bis 27. SSW    Glukosegrenzwert neu IADPSG, Venöses PlasmaGlukosegrenzwert alt Carpenter / Coustan, Venöses Plasma
mg/dl         mmol/l       mg/dl               mmol/l            
nüchtern≥  925,1955,3
nach 1 Stunde≥ 18010,0180

10,0

nach 2 Stunden≥ 1538,51558,6

In der GDM Leitlinie 2011 der Fachgesell-schaften1 ist eine kapilläre Blutprobe nicht mehr vorgesehen, so dass hierfür auch keine Referenzbereiche angegeben wurden. Blutzucker-Handgeräte, die für Patienteneigenmessungen verwendet werden, sollen zur Primärdiagnostik des Gestationsdiabetes nicht eingesetzt werden. Ebenso werden Bestimmungen der Uringlukose, des HbA1c oder der Fructosamine aufgrund der geringen Sensitivität als Screeningmethode für GDM als ungeeignet eingestuft. Die HbA1c Bestimmung wird allerdings zur Risiko-beurteilung einer länger bestehenden Hyperglykämie bei bekanntem Diabetes mellitus bzw. gesichertem Gestations-diabetes empfohlen.1,2,4

Stabilität der Patientenprobe
Spezielle Blutzuckermonovetten mit doppeltem Glykolyseschutz für venöses Blutplasma werden bereits eingesetzt.

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Literatur:

  1. Leitlinie für Gestationsdiabetes mellitus 2011 der DDG Deutsche Diabetes-Gesellschaft und DGGG Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
  2. Mutterschutzrichtlinie – Beschluss des G-BA vom 15.12.2011
  3. Landon et al.: A Multicenter, Randomizend Trial of Treatment for Mild Gestational Diabetes, NEJM 361; 14 (Oct. 2009), p. 1339-1348
  4. HAPO-Studie 2008
  5. International Association of Diabestes and Pregnancy Study Groups (IADPSG) Guidelines 2010 GDM